Erstmals in der Geschichte Kambodschas rüttelt die Opposition im Wahlkampf am Stuhl von Premierminister Hun Sen. Der ist schon seit 28 Jahren im Amt, doch die Jugend des Landes begehrt auf.
Nach ersten Zählungen hat die Nationale Rettungspartei bei der Parlamentswahl vom Sonntag 29 Sitze gewonnen, während die regierende Kambodschanische Volkspartei 22 Sitze abgeben mußte. Sie behält dennoch eine Mehrheit von 68 gegenüber 55 Mandaten. Aufgrund von Manipulationsvorwürfen forderte die weltweit agierende Nichtregierungsorganisation Transparency International am Montag eine Untersuchung der berichteten Unregelmäßigkeiten bei der Wahl.
Wahlkampf in Kambodscha
Nur 69 Prozent der Wähler waren am Sonntag in dem südostasiatischen Land an die Urnen getreten, weniger als bei der letzten Wahl 2008. Dennoch: Jeder dritte registrierte Wähler in Kambodscha ist jünger als 35 Jahre, und diese gingen zur Wahl. »Viele junge Menschen haben dieses Mal ihre Stimme abgegeben. Sie haben nicht nur gewählt, sondern auch den Wahlprozeß sowie die Auszählung der Stimmen beobachtet. Beschwerden über Unregelmäßigkeiten kamen häufig von ihnen, besonders über soziale Medien und Facebook«, sagte am Montag Koul Panha, der Chef des Komitees für freie und faire Wahlen.
In Kambodscha ist eine Generation entstanden, die Panha »aktive, verantwortungsbewußte Bürger« nennt, viele von ihnen haben für die Opposition gestimmt. Sie verspricht denen, die nach den blutigen Gewalttaten der »Roten Khmer« aufgewachsen sind, ein besseres Einkommen, Freiheit und – Veränderung.
Der Menschenrechtsaktivist Virak Ou sagte, die Politiker im Land hätten auf die Rolle der Internetmedien vor den Wahlen zu kurzfristig reagiert. »Eine aktive, junge Population, günstiger Internetzugang und Smartphones, die sogar auf dem Land verbreitet sind – natürlich muß man damit rechnen, daß diese Generation ihre Meinung äußert und sich an der Politik beteiligt«, meinte er.

Im Wahlkampf wurde gesungen, getanzt und getwittert. Die jungen Wähler sehnen sich nicht nach Stabilität wie die Älteren, die in zwei Bürgerkriegen hart um ihr Leben kämpfen mußten. »Viele junge Menschen fürchten sich nicht und wollen sich von den Älteren abheben. Das ist der Auftakt einer neuen Entwicklung«, so Panha.
Für die Unterstützer der Opposition sind im Wahlkampf die sozialen Medien die Hauptinformationsplattform, da die Regierung die Agenda der meisten lokalen Massenmedien bestimmt. Der 25jährige Journalist Kimsay Hor erklärt deshalb, die sozialen Medien hätten politisches Engagement salonfähig gemacht. »Wir sehen, daß sich das Land entwickelt, aber wir wollen eine gute Ausbildung, sichere Jobs und gute Bezahlung. Das verspricht uns die Oppositionspartei. Diskussionen über die Vergangenheit spielen für uns keine Rolle.«
»Junge Menschen in Kambodscha sind politisch aktiv. Sie bevorzugen soziale Medien, weil die nicht zensiert werden und weil der Internetzugang günstig ist – zumindest in den Städten. Ich glaube zudem, daß sie die Meinung der Gesellschaft widerspiegeln«, sagt auch die 23jährige Jurastudentin Tiara Sum.
Am letzten Tag vor der Wahl hallte es aus dem Konvoi der Nationalen Rettungspartei: »Wollt ihr Veränderung oder nicht?« Die jungen Frauen und Männer auf ihren Motorrollern riefen: »Veränderung!« Am Sonntag abend zündeten Jugendliche zwei Autos der Militärpolizei nahe der Hauptstadt Phnom Penh an, aus Protest, weil zahlreiche Wähler ihre Namen nicht in den Verzeichnissen gefunden hatten. »Sie sind wütend über das Vorgehen der Polizei«, sagte einer der Demonstranten in Stung Meanchey.
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Autorin | Sarah Thust
Zuletzt aktualisiert | 30.07.2013
Auftraggeber | Junge Welt & Pirmasenser Zeitung
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